In guten Tagen für schlechte Tage – Patientenverfügung

15. OKTOBER 2015

Wie Sie die gewünschte medizinische Behandlung bei schwerer Krankheit im Voraus regeln

REGION – Unfall, schwere Krankheit und Tod sind Themen, über die wohl niemand gerne nachdenkt. Wie wichtig es ist, sich trotzdem frühzeitig mit den Möglichkeiten der Vorsorge zu beschäftigen, erklärt Dr. Thomas Nolte (60). Als bundesweit anerkannter Palliativmediziner weiß er um die Bedeutung der Patientenverfügung. Er arbeitet unter anderem im Schmerz- und Palliativzentrum Wiesbaden im „Medicum“ und hat das Wiesbadener Zentrum für ambulante Palliativversorgung (ZAPV) gegründet.

Herr Dr. Nolte, was kann ich in einer Patientenverfügung festlegen?

Die Patientenverfügung ist eine Vorausverfügung für eine Krankheitssituation, in der ich meinen Willen nicht mehr frei äußern kann. In ihr wird festgehalten, welche medizinischen Behandlungen ich wünsche oder auch nicht möchte.

Ist mein Wunsch, den ich in so einer Verfügung äußere, in jedem Fall verbindlich?

Dr. Nolte: Eine Patientenverfügung ist in all den Punkten, in denen sie präzise Auskunft gibt und Festlegungen trifft, verbindlich. Setzen sich diejenigen, die mit dem Menschen betraut sind, über den Wunsch wissentlich hinweg, ist das nach dem Patientenverfügungsgesetz eine Straftat. Zu berücksichtigen ist auch der „mutmaßliche Wille“, der nur indirekt aus der Patientenverfügung hervorgeht oder greift, wenn diese nicht vorliegt.

Das heißt, man kann auch lebenserhaltene Maßnahmen ausschließen?

Dr. Nolte: Ja. Ein Patient hat das Recht, auf Maßnahmen zu verzichten, obwohl sie aus ärztlicher Sicht sinnvoll scheinen. Die Festlegungen können also so weitreichend sein, dass sich der Patient – aus ärztlicher Sicht – selbst schaden kann. Daher sollte man sich ausführlich mit dem Thema beschäftigen, um sich über die Konsequenzen der Festlegungen klar zu werden. Am besten in Absprache mit dem Hausarzt. Zudem sollte unbedingt ein Vorsorgebevollmächtigter benannt werden.

Warum halten Sie eine Vorsorgevollmacht für so wichtig?

Dr. Nolte: Eine Patientenverfügung kann immer nur bruchstückhaft sein. Es können Situationen auftreten, die der Interpretation bedürfen. Deshalb sollte es eine Person sein, die den Patienten gut kennt und weiß, wie er sich in der Phase einer schweren Erkrankung die medizinische Weiterversorgung vorstellt. Es ist sinnvoll, aber nicht zwingend, dass er die Patientenverfügung mit unterschreibt. So beurkundet der Bevollmächtigte, dass er mit dem Willen des betreffenden Menschen vertraut ist.

Ist die Patientenverfügung an eine bestimmte Form gebunden?

Dr. Nolte: Es ist nur vorgeschrieben, dass sie schriftlich verfasst wird und dass derjenige, der sie verfasst, volljährig ist. Ansonsten ist man an keine besondere Schriftform und auch nicht an eine notarielle Beglaubigung gebunden.

Sollte ein bestimmter Punkt unbedingt enthalten sein?

Dr. Nolte: Ich finde es wichtig, dass man sich auf die bewährten Vordrucke stützt. Dort ist an alle relevanten Aspekte gedacht. Auch an die, die man für sich vielleicht noch nicht in Betracht gezogen hat. Zu den bestehenden Formulierungen kann man individuell persönliche Vorstellungen ergänzen.

Was sollte man bei der Formulierung beachten?

Dr. Nolte: Eine Patientenverfügung sollte nie zu speziell gehalten werden. Man sollte versuchen, einen Zustand zu beschreiben, in dem man etwas nicht mehr möchte. Zum Beispiel, ab einem bestimmten Grad der Demenz nicht mehr reanimiert zu werden.

Wie erfahren die Ärzte, dass ich eine Patientenverfügung verfasst habe, wenn niemand davon weiß?

Dr. Nolte: Am einfachsten ist es, wenn man einen kleinen Vordruck bei seinen Papieren hat, die man täglich bei sich trägt. Dort kann man festhalten, dass es eine Patientenverfügung gibt und wo diese zu finden ist. Gibt es einen Vorsorgebevollmächtigten, sollte auch dessen Name und Telefonnummer dort stehen.

Das Bundesjustizministerium empfiehlt, Wertvorstellungen einfließen zu lassen. Halten Sie das auch für wichtig?

Dr. Nolte: Ich ermutige jeden, viele persönliche Vorstellungen mit aufzuführen. In der „erweiterten Patientenverfügung“ kann man besondere und individuelle Wünsche, abgesehen von der medizinischen Versorgung, festhalten. Dazu gehört, in welcher Umgebung man sterben möchte oder welche Menschen dabei sein sollen. Da sind den Wünschen fast keine Grenzen gesetzt. Und sie finden Beachtung, wenn sie umsetzbar sind.

Sollte man eine Patientenverfügung dann verfassen, wenn man mit einer Krankheit konfrontiert wird?

Dr. Nolte: Es ist nie zu spät, solange man noch dazu in der Lage ist. Trotzdem gilt: Je früher, desto besser. Die Patientenverfügung ist jederzeit änderbar und anpassbar. Das Erstellen ist also kein einmaliger Akt, sondern ein kontinuierlicher Prozess. An diesem sollte man die beteiligten Personen wie den Hausarzt der Familie oder den Vorsorgebevollmächtigten möglichst teilhaben lassen.